Geschichte hinter Stacheldraht – Realschüler besuchen ehemaliges KZ Natzweiler-Struthof

Am Mittwoch, den 13.11.2024, besichtigten die Abschlussklassen der Willy-Brandt-Realschule das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof und wurden dabei von ihren Geschichtslehrern bei eisigen Temperaturen durch die heutige Gedenkstätte geführt. Ursprünglich war dieser auf über 700 Metern Höhe gelegene Ort ein beliebtes Wandergebiet, wo im Winter auch Skifahren und Rodeln möglich waren. Ab 1941 fand allerdings die Umfunktionierung zum einzigen nationalsozialistischen Arbeitslager auf französischem Boden statt, das terrassenartig in den Berg hineingebaut wurde. Dabei mussten die ersten Häftlinge sowohl die Zufahrtsstraße als auch die Barackengebäude eigenhändig errichten, was sich bis 1943 hinzog.
Da das gesamte Lagergelände mit elektrisch geladenem, doppeltem Stacheldrahtzaun gesichert war und von bewaffneten Posten auf Wachtürmen mit schwenkbaren Suchscheinwerfern beobachtet wurde, war eine Flucht kaum möglich. So waren die Häftlinge, bei denen es sich v.a. um politische Gegner und Widerstandskämpfer handelte, dem unmenschlichen KZ-Alltag nahezu schutzlos ausgeliefert.

Für die meisten bedeutete dies, im nahegelegenen Steinbruch mit Spitzhacke und Schubkarre den roten Granit abzubauen, mit dem die Naziprachtbauten in den geplanten „Führerstädten“ entstehen sollten. Während der Arbeit wurden die Lagerinsassen von den SS-Wachmannschaften durch Schläge mit dem Gewehrkolben und dem Einsatz von Kampfhunden zusätzlich gequält. Eine bewusste Unterernährung der Häftlinge, sadistische medizinische Experimente und die ungehinderte Verbreitung von Infektionskrankheiten taten ein Übriges dazu, dass allein im Stammlager Natzweiler-Struthof etwa 3.000 Inhaftierte zu Tode kamen. Mit dem noch heute erhaltenen Verbrennungsofen sollten die Spuren des Mordens beseitigt werden. Allerdings fielen oftmals mehr Leichname an, als beseitigt werden konnten. So lagen diese manchmal meterhoch im vorgesehenen Leichenkeller und einem weiteren Lagerraum. Besonders abstoßend: Mit dem Verkauf der Asche ihrer Opfer an die Angehörigen generierten die Nazi-Verbrecher zusätzliche Einnahmen.
All dies geschah unter den wachsamen Augen des jeweiligen Lagerkommandanten. Dieser lebte mit seiner Familie in unmittelbarer Sichtweite zum Arbeitslager in der Kommandantenvilla samt Swimmingpool. Unter dem bekanntesten von ihnen, Josef Kramer, wurden 1943 Vergasungen in Natzweiler-Struthof durchgeführt. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um Massenvernichtungen wie in Auschwitz. Vielmehr sollten gezielt Menschen „zur Gewinnung von Skeletten als Ausstellungsobjekte“ getötet werden. Verantwortlich für die so erfolgte Tötung von 86 Menschen war der Straßburger Anatomieprofessor August Hirt, der damit seine Skelettsammlung erweitert hatte.
Nach all diesen und weiteren grauenhaften Schilderungen des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte besuchten die Zehntklässler im Anschluss das 60 Kilometer von Natzweiler-Struthof entfernte Straßburg. Die größte Stadt der Region Grand Est ist bekannt für das unter UNESCO-Weltkulturerbe stehende historische Stadtzentrum mit charakteristischen Fachwerkhäusern und der
Cathédrale Notre-Dame de Strasbourg.

von Bastian Karsch

Die Abschlussklassen vor dem Lagertor

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