Blick zurück und nach Vorne - das Interview

Wir haben in der Corona-Krise Vieles richtig gemacht: Wir waren digital ausgesprochen gut aufgestellt und haben gleich zweimal eine große, coronagerechte Abschlussfeier mit Showbühne im Freien für unsere Schüler auf die Beine gestellt. Allerdings habe ich rückblickend in Gesprächen mit Schülern festgestellt, wie einsam manche von ihnen zeitweise waren, obwohl sie in intakten, dörflichen Strukturen leben. Das hat mich sehr überrascht, denn das konnte ich mir in diesem Ausmaß tatsächlich nicht vorstellen. Vielleicht hätten wir als Schulen und Schulleiter mit mehr Nachdruck dafür sorgen müssen, dass die Kinder und Jugendlichen früher zurückkommen können. Vielleicht hätten wir bei einzelnen Schülern nochmal deutlicher nachfragen müssen, wie es ihnen geht und was sie brauchen.

Als Rektor muss man nicht nur viele Aufgaben übernehmen, sondern auch versuchen, die Interessen vieler verschiedener Akteure unter einen Hut zu bekommen. Auf was haben Sie im Umgang mit Schülern, Eltern und Lehrern Wert gelegt?
Eine der großen Herausforderungen für die Schulleitung besteht grundsätzlich darin, zwischen widerstrebenden Interessen und Wünschen eine Balance zu finden, einen Ausgleich zu schaffen. Das ist immer ein Spagat. Es gibt auch Situationen, in denen man Entscheidungen treffen muss, die nicht alle glücklich machen oder unpopulär sind. Manchmal muss man Anwalt des Kindes sein und es gegen Eltern und Lehrer in Schutz nehmen. Genauso muss man aber auch Anwalt der Lehrer sein, um Eltern und Schülern die Grenzen aufzuzeigen. Schüler, Eltern und Lehrkräfte mit ihren eigenen Perspektiven anzuhören und eine faire Balance in Konflikten zu finden, war mir ein großes Anliegen.

Bestimmt hat es in Ihrer Amtszeit auch Momente gegeben, in denen Ihnen alles zu viel wurde, in denen Sie am liebsten alles hingeworfen hätten. Was braucht es, um so viele Jahre durchzuhalten?
Als Schulleiter ist man Presseabteilung, Personalabteilung, Rechtsabteilung und Innovations-Entwicklungs-Büro, alles in Personalunion. Und am Ende steht man auch noch in der „Produktion“ an der Tafel. Daher ist es gut, wenn man Allrounder ist und sich für Vieles begeistern kann, wenn man offen für Neues ist, Freude und Leidenschaft für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat. Leidenschaft gehört immer dazu, wenn man das große Projekt Schule voranbringen will. Dafür braucht man allerdings auch Organisationstalent, Offenheit und ein hohes Maß an Belastbarkeit und nicht zuletzt eine Ehefrau, die das alles mitträgt.

Die Königsbacher Realschule ist immer wieder vorausgegangen. Etwa durch die Begabtenförderung „Leistung macht Schule“, durch das Erasmus-Projekt oder, indem sie vor einigen Jahren als eine der ersten Schulen in der Region flächendeckend die Arbeit mit Tablets im Unterricht eingeführt hat. Woher nehmen Sie die Ideen und den Antrieb dafür?

Ich bekomme mit, was sich in der Gesellschaft tut, was in der Politik passiert, was auf die Schulen zukommt. Ich kann gut analysieren und habe ein gutes Gefühl dafür, wie sich die Dinge verändern werden. So kann ich frühzeitig erkennen, wohin bestimmte Entwicklungen in ein paar Jahren führen werden, auch und gerade an meiner Schule. Neues interessiert mich persönlich sowieso immer. Die Motivation dahinter ist, unsere Realschule langfristig gut aufzustellen, sie zu einer attraktiven Einrichtung zu machen, an der Schüler, Lehrer und Eltern gerne sein wollen.

Als Rektor haben Sie sich nie darauf beschränkt, Dienst nach Vorschrift zu machen. Sie haben sich eingebracht, etwa in der Schulband oder, indem Sie die Fernsehsendung „Verstehen Sie Spaß?“ nach Königsbach geholt haben. Warum machen Sie sich diese zusätzliche Arbeit?

Letztlich geht es dabei immer um die Schüler und um die Schule im Gesamten. Die Teilnahme an „Verstehen Sie Spaß?“ war nicht meine Idee, aber wenn ich gefragt werde, ob wir als Schule dabei mitmachen würden, dann sage ich natürlich zu. Denn für die Schüler ist das eine tolle Sache: etwas, das sie nie im Leben vergessen werden. Und für alle Aktivitäten in der Schule, die mit Musik zu tun haben, bin ich immer zu begeistern. Musik ist der Ausgleich und das Sahnehäubchen im Schulalltag.

Auf was wird es in der Realschule der Zukunft ankommen? Welchen Herausforderungen und Entwicklungen werden sich sowohl die Pädagogen als auch die Schulträger stellen müssen?
Der Schulträger muss sich darauf einstellen, dass die Schülerzahlen am Bildungszentrum steigen werden. Wo die Bildungspolitik im Ländle hingehen wird, können wir überhaupt nicht sagen. Um als Realschule trotzdem für die Zukunft gerüstet zu sein, muss unsere Schule sich auch mit Blick auf die benachbarten Schulen gut aufstellen und sich anbahnende Entwicklungen frühzeitig aufgreifen. Ich denke da etwa an die Künstliche Intelligenz, die das Unterrichten in Zukunft mit Sicherheit stark verändern wird. Jeder Schüler ab Klasse acht wird ein digitales Endgerät haben, die Schulbücher werden digital sein, Lehrer werden KI beim Korrigieren von Arbeiten nutzen, der Unterricht wird viel stärker individualisiert sein: Warum sollen ältere Schüler nicht einen Teil des Stoffs zu Hause selbstständig erarbeiten und das Ganze dann mit ihren Lehrern in digitalen Konferenzen besprechen? Ich denke, dass in der KI viele Chancen für die Willy-Brandt-Realschule liegen, wenn sie entsprechende Neuerungen möglichst schnell anpackt.

Nun verlassen Sie die Realschule. Was werden Sie mit der Freizeit anstellen, die Ihnen nach dem Ende Ihrer Amtszeit jetzt hoffentlich zur Verfügung steht?
Auf jeden Fall werde ich Gitarre in der Bigband „Brandheiß“ der Pforzheimer Stadtfeuerwehr spielen. Da schließt sich ein Kreis, denn dort hat mein Vater in den Fünfzigerjahren schon mitgespielt. Meine Frau und ich werden die Rollenverteilung neu justieren und Aufgaben neu verteilen. Ich habe zu meiner Freude Enkel vor Ort, ich habe einen Traktor, Wiesen und Äcker. Es wird mir nicht langweilig werden. Eine Weltreise ist nicht geplant. Stattdessen will ich das, was mir Freude macht, mit mehr Ruhe und Entspanntheit genießen.
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